Jetzt schlägt sich Söder komplett auf die Seite der Lockerer

Der CSU-Chef gibt sich reumütig. Bayern hatte lange Corona-Inzidenzen falsch angegeben. Nun verspricht Söder „Transparenz in den Zahlen“. Wieder einmal stellt er sich auch an die Spitze der Ministerpräsidenten – diesmal aber gegen die Verfechter von harten Eingriffen.Anzeige

In den vergangenen Wochen hat sich eine Sache im nationalen Corona-Management spürbar geändert. Es ist nicht mehr von Markus Söder (CSU) geprägt worden. Seit die Ampel-Parteien in Berlin regieren, ist der Bayer deutlich seltener als Taktgeber der Pandemiepolitik in Erscheinung getreten.

Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article236636083/Corona-Eingriffe-Soeder-schlaegt-sich-komplett-auf-Seite-der-Lockerer.html


Das liegt in der Natur der Sache, gehört die CSU in Berlin schließlich nicht mehr der Regierung an. Es lag aber nicht nur daran, schließlich vertritt der bayerische Ministerpräsident nach wie vor ein wichtiges Bundesland. Söder war in Erklärungsnot geraten, was die Zahlen geimpfter und ungeimpfter Corona-Infizierter anbelangt. WELT-Recherchen hatten aufgedeckt, dass man Menschen, die keine Angabe machten, einfach den Ungeimpften zuschlug und so horrende Inzidenzwerte in dieser Gruppe erhob. Nach anfänglichem Zögern wurde der Fehler eingestanden.

Söder ist aber auch unsicher geworden, welche Rolle in dieser Phase politisch noch für ihn die angemessene ist. Weiterhin die des ewigen Warners, dessen, der die nächste schlimme Welle prognostiziert, der deshalb Verschärfungen fordert? Das war jene Rolle, die man von ihm über eineinhalb Jahre kannte. Damit fuhr er eine Weile exzellent. Doch inzwischen sagt auch Söder, dass man mit Pandemie-Bewältigung politisch nichts mehr gewinnen könne.

Nun, so scheint es, unternimmt er einen letzten Versuch, doch noch einmal politisches Kapital aus der Corona-Pandemie zu schlagen. Er stellt sich dabei nicht mehr auf die Seite der Warner. Also explizit nicht auf die Seite von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grüne hatte am Dienstag angekündigt, dass es mit ihm „bis Ostern“ keine Lockerungen geben werde. Noch im November hatte Söder mit Kretschmann in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine allgemeine Impfpflicht gefordert.

Bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die wegen Corona erst nach Berlin verlegt und dann um einen Monat verschoben wurde, schlägt Söder sich nun aber eindeutig auf die Seite der bisher wenigen Einflussreichen in der Politik, die zügige Lockerungen fordern. In der Riege der Ministerpräsidenten geht er damit bisher am weitesten.

Aus politischem Kalkül? Oder echter Überzeugung? Das lässt sich nicht entscheiden.

Reuiger Ton wegen „Zahlen-Kuddelmuddel“
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„Wir brauchen einen Stufenplan, wie wir in den nächsten Wochen tatsächlich Erleichterungen durchführen können“, sagt Söder vor Beginn der Klausur. Mit der Maske werde viel mehr Freiheit möglich sein. „Wir müssen nicht nur die virologische, sondern eben auch die soziale, die psychologische, die ökonomische Seite berücksichtigen.“

Auch bei „leicht abflachenden Kurven nach oben“ brauche man ein Konzept für den Einstieg in den Ausstieg. Söder nennt den Handel, Sport, Kultur. „Wir brauchen den Einstieg in Lösungen, damit den Menschen Hoffnung vermittelt wird.“ Die Omikron-Variante sei etwas anderes als Delta.

Söder fordert eine Empfehlung des Expertenrates der Bundesregierung. Nicht ein Datum will Söder für Lockerungen nennen, für entscheidend hält er die Umstände. „Denn eines sieht man gerade: Bei der hohen Zahl der Inzidenz, die wir haben und die das Robert-Koch-Institut bald schätzen wird und die deshalb keine verlässliche Zahl mehr sein kann, können wir keine Freiheitseinschränkung mehr begründen.“ Stufen- oder Exit-Pläne seien verantwortbar.

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Es brauche aus seiner Sicht eine verlässliche, klare Krankenhaus-Warnampel, die müsse bei drohender Überlastung ein Signal geben. Hier gibt sich Söder reumütig, was die eigenen Krankenhauszahlen aus Bayern anbelangt. „Wir brauchen Transparenz in den Zahlen. Wir hatten in den letzten Monaten immer so ein Zahlen-Kuddelmuddel.“

Söder will deshalb genau unterscheiden, ob jemand mit oder wegen Corona ins Krankenhaus kommt. „Das wird festgestellt. Hieraus ergibt sich dann die Belastung.“ Diese Differenzierung nimmt deutlich Bezug auf die Vorwürfe, Bayern habe beim Status seiner Patienten nicht genau genug unterschieden. Söder will sich einen solchen Vorwurf nicht noch einmal gefallen lassen.

Hierbei geht es ihm sicher vornehmlich um eine politische Botschaft. Denn aus Sicht der Krankenhäuser spielt die Unterscheidung gar keine entscheidende Rolle. „Aus Krankenhaus-Sicht ist es unerheblich, ob ein Patient mit oder wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus liegt. In beiden Fällen ist ein weitaus größerer Aufwand für Isolation und Hygiene nötig“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, WELT.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schloss sich zwar später Söders Forderung nach einem Plan für Öffnungsperspektiven an, der schon bei der nächsten Ministerpräsidenten-Konferenz Mitte Februar beschlossen werden sollte. Söders klare und folgenreiche Unterscheidung, ob jemand mit oder wegen Corona im Krankenhaus ist, scheint ihm allerdings nicht einzuleuchten. Wüst sagte: „Die Differenzierung – mit oder wegen Covid – da muss man sehr genau hinschauen. Aber auch jemand, der mit Covid da ist, löst hohen Aufwand aus.“

Söder aber folgt seinem politischen Instinkt. Und der sagt, dass er für die Menschen in der Wahrnehmung der Krise sehr wohl einen Unterschied macht, ob jemand erst im Krankenhaus auf Corona getestet wird oder wegen der Infektion dort landet.