Pfizer finanziert auch Fakten-Check-Partner von Facebook

„Wenn es um #COVID19 geht, müssen Journalisten proaktiv reagieren können, um der ‚Desinfodemie’ entgegenzuwirken“, so das Internationale Center für Journalisten (ICFJ). Dafür produziert das Center einerseits Webinare wie den einstündigen Vortrag „Zum Verständnis der Funktionsweise der COVID-19-Impfstoffe“. Denn „mit den Impfstoffen“ käme es zu einer „Explosion an Informationen – einige von ihnen sind unwahr“.

‚Lebensrettende Informationen‘

Ein weiteres Mittel im Kampf für die „Wahrheit“ sind die sogenannten Fakten-Checks. Für sie bietet ICFJ Trainingsprogramme für Journalisten an. Mit einigem Erfolg. So heißt es auf der centereigenen Website: „Im riesigen Netzwerk von ICFJ […] entlarven unzählige Journalisten Fehlinformationen und liefern lebensrettende Informationen in der COVID-19-Pandemie.“

In diesem Sinne hat das Center in der Corona-Pandemie gemeinsam mit dem Facebook-Mutterkonzern Meta Journalisten und Medien in Lateinamerika, dem Mittleren Osten sowie in Süd– und Nordafrika finanziell unterstützt. Dabei flossen mehr als drei Millionen US-Dollar über Facebooks „Meta Journalismus Projekt“. Dort heißt es sendungsbewusst weiter: „Nachrichten sind ein zentraler Bestandteil von Facebooks Mission, Menschen die Möglichkeit zu geben, Gemeinschaften zu bilden und die Welt näher zusammenzubringen.“ Hierfür stellt man nicht nur einen „Leitfaden für Journalist*innen“ zur Verfügung, sondern bietet auch Hilfe zur „unabhängigen Faktenprüfung“.

Quelle: https://reitschuster.de/post/pfizer-finanziert-auch-fakten-check-partner-von-facebook/


Gegenseitig die eigene Qualität attestiert
Dabei arbeite man „mit IFCN-zertifizierten unabhängigen Faktenprüfern zusammen“, heißt es weiter, „die virale Fehlinformationen (…) identifizieren, überprüfen und bewerten“. IFCN steht für das 2015 ins Leben gerufene „Internationale Fact-Checking Netzwerk“, das die „Qualität und Güte von Faktenprüfung bei mehr als 100 Organisationen weltweit (…) fördert.“ Mit anderen Worten: Hier zertifiziert der eine Faktenchecker den anderen.

Das zertifiziertende Netzwerk IFCN arbeitet auch mit dem zuvor genannten Journalisten-Center ICFJ zusammen. Gemeinsam produzierten die beiden etwa das Webinar: „Wie man Des- und Fehlinformationen über COVID-19-Impfstoffe bekämpfen kann“ vom 13. August 2020. Da waren die Corona-Impfstoffe gerade mal in ihrer Textphase.

Netzwerk über Stipendien
Kritik an der Art und Weise, wie Organisationen wie das Journalisten-Center ICFJ, Themenschwerpunkte setzt und andere in Faktenchecks diskreditiert, kann man in den großen Medien kaum erwarten, denn viele der dort tätigen Korrespondenten sind ehemalige Stipendiaten des „Arthur F. Burns Fellowship“, das das ICFJ an „talentierte junge Journalisten aus den USA, Deutschland und Kanada“ vergibt. Inzwischen arbeiten viele von ihnen „für bekannte Medien“ so das ICFJ in seiner Eigendarstellung. In der Bundesrepublik etwa für die Deutsche Welle, die Süddeutsche Zeitung oder die ARD.

Insgesamt umfasst das Netzwerk der 1984 gegründeten Non-Profit-Organsiation rund 70.000 Journalisten in über 160 Ländern. Hinzu kommen finanzkräftige Sponsoren wie die Open Society Foundations des US-Milliardärs George Soros sowie die Unterstützung von staatlichen Akteuren wie dem Auswärtigen Amt.

Faktencheck-Opfer
Zu welchem Wildwuchs die sich selbst „Unabhängigkeit“ attestierende Faktencheckerei in der Realität führen kann, zeigte sich kürzlich bei dem für Facebook arbeitenden US- Faktenchecker Lead Stories, dessen Qualität ebenfalls vom Network IFCN zertifiziert ist.

Nachdem am 2. November 2021 im BMJ (British Medical Journal) ein Artikel über Datenmängel bei der Zulassungsstudie des Corona-Impfstoffs von Pfizer erschienen war (reitschuster.de berichtete darüber hier), drehten Lead Stories den Bericht durch ihren Wahrheitsfleischwolf, um am 10. November einen „Fact Check“ unter der Kategorie „Falschmeldung“ zu veröffentlichen.

Das von und für Facebook gesponserte Urteil und die darauf folgende Blockade des Inhalts wollten die beiden medizinisch hochqualifizierten Chefredakteure vom BMJ, Dr. Fiona Godlee und Dr. Kamran Abbasi, nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich schrieben sie zwei sogar einen „Offenen Brief“:

„Lieber Mark Zuckerberg,

wir sind Fiona Godlee und Kamran Abbasi, Chefredakteure von BMJ, einer der ältesten und einflussreichsten allgemeinmedizinischen Zeitschriften der Welt, und wir haben ernste Bedenken hinsichtlich der „Faktenüberprüfung“, die von Drittanbietern im Auftrag von Facebook bzw. Meta durchgeführt wird. (…) Nach unserem Dafürhalten ist der von Lead Stories durchgeführten ‚Faktencheck’ unpräzise, inkompetent und verantwortungslos.“

Vorwurf der 'Zensur'
Weiter hieß es in dem Brandbrief: „Anstatt einen Teil der beträchtlichen Gewinne von Meta dafür zu investieren, die Richtigkeit von in den sozialen Medien geteilten medizinischen Informationen sicherzustellen, haben Sie die[se] Verantwortung offensichtlich an Personen delegiert, die für die Durchführung dieser wichtigen Aufgabe nicht kompetent sind.“

Das half aber nichts. Statt das vorschnelle – fast schon unverschämte – (Wert)Urteil nun zurückzunehmen, mokierte man sich bei Lead Stories am 27. Januar 2022 darüber, dass BMJ ihnen doch tatsächlich „Zensur“ vorgeworfen hatte. Bemerkenswerter Weise war zu diesem Zeitpunkt das zuvor erwähnte Gütesiegel des IFCN für Lead Stories bereits seit über zwei Monaten abgelaufen.



Während man über die abgelaufene Wahrheits-TÜV-Plakete wohl noch mit einem Schmunzeln hinwegsehen kann, ist das bei der finanziellen Nähe des Pharmariesen Pfizer zu Facebooks Fakt-Check-Schulungspartner ICFJ kaum mehr möglich. Denn ausgerechnet deren Vorzeige-Stipendium, das „Arthur F. Burns Fellowship“, wird auch von Pfizer gesponsort. Das finanzielle Engagement des Pharmakonzerns beim Journalisten-Center reicht mindestens bis ins Jahr 2008 zurück, als man dort ein Trainingsprogramm für Gesundheitsjournalisten in Mexiko finanziert hatte.



ICFJ: Sponsoren des Arthur-Burns-Stipendiums für Journalisten

Interessenkonflikte scheint man diesbezüglich beim Internationalen Center für Journalisten (ICFJ) nicht ausgemacht zu haben. Möglicherweise deshalb, weil man ja ohnehin vom International Fact-Checking Network (IFCN) als unabhängig zertifiziert ist – vermutlich lebenslang.