Erkenntnisse aus Südafrika: Mit Omikron reicht anscheinend auch 2G nicht

Seit die Omikron-Mutation des Coronavirus in Südafrika entdeckt wurde, versuchen Wissenschaftler die Eigenheiten dieser Variante zu durchschauen. Wegen der vielen Ansteckungen kommen aus Südafrika erste Daten, die das erleichtern. Die Ergebnisse sind beunruhigend.

Südafrikas Wissenschaftler arbeiten auf Hochtouren daran, die neue Omikron-Variante besser zu verstehen. Jetzt gibt es einen ersten Zwischenbericht. Er zeigt: Omikron verdrängt in Südafrika die Delta-Variante rasant. Wesentlich beunruhigender ist: Omikron durchbricht scheinbar den Schutz genesener Covid-19 Patienten. Das dürfte auch in Deutschland neue Diskussionen über die 2G Regeln eröffnen. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis Omikron auch hierzulande Chef im Ring ist.

Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Mit-Omikron-reicht-anscheinend-auch-2G-nicht-article22974138.html


"Omikron hat in Südafrika die Vorherrschaft übernommen", sagt Anna von Gottberg. Der Satz hängt schwer im Raum. "Wir sind natürlich noch ganz am Anfang der Forschung", fügt sie hinzu. Von Gottberg ist anerkannte klinische Mikrobiologin und Leiterin der Abteilung für Atemwegserkrankungen am südafrikanischen Nationalen Institut für übertragbare Krankheiten, NICD. Sie wählt ihre Worte vorsichtig. Bevor Panik ausbricht: Die Lage in Südafrika ist derzeit wesentlich weniger alarmierend als in Deutschland. Die vierte Welle zieht am Kap von Afrika zwar rasant an, Neuinfektionen steigen exponentiell an (11.353 am Donnerstag), dennoch sind laut WHO derzeit nur vier Prozent der Intensivbetten belegt.

Der erste Zwischenbericht südafrikanischer Forscher zur Omikron-Variante birgt anderen Grund zur Sorge. "Wir glauben, Covid-19 Genesene sind nicht vor einer Neuinfektion mit der Omikron-Variante geschützt", sagt von Gottberg. Aber man hoffe, ihr Schutz reiche, um einen schweren Krankheitsverlauf, Krankenhausaufenthalt oder Tod zu verhindern. Es ist eine Hoffnung, mehr nicht. Die Wirkung einer Impfung allerdings, so ihre Einschätzung, werde weiterhin guten Schutz bieten, zumindest vor schweren Verläufen.

Gefahr der Reinfektion
Südafrikas Wissenschaftler haben in den vergangenen Tagen 249 Corona-Virus-Proben sequenziert. Das sind nicht viele. Aber in 183 (74 Prozent) wurde die Omikron-Variante nachgewiesen. Das ist derzeit die weltweit größte Gruppe untersuchter Fälle der neuen Variante. Omikron verdrängt Delta rasant.

Das südafrikanische Netzwerk für Genom-Überwachung, NGS-SA, überwacht nicht nur Neu-, sondern auch Reinfektionen. "Wir haben das auch schon bei der Beta-Welle (2.) und bei Delta (3.) getan", so von Gottberg. "Bei beiden sahen wir keinen überproportionalen Anstieg von Reinfektionen. Aber mit Omikron sehen wir genau das." Südafrikas Bevölkerung hat eine hohe natürliche Durchseuchungsrate, aber nur jeder dritte Erwachsene ist geimpft.

"Es wird viel über eine mögliche höhere Übertragbarkeit von Omikron diskutiert", sagt von Gottberg. "Aber ich glaube, diese Variante könnte genauso übertragbar oder ansteckend wie Delta sein. Nur die Anfälligkeit der Bevölkerung ist jetzt größer. Bei Delta waren Genesene geschützt. Bei Omikron scheint das nicht der Fall zu sein."

Impfskepsis verstärkt vierte Welle
Trotz niedriger Impfquote hatte man in Südafrika gehofft, die hohe Zahl Genesener könnte die vierte, ohnehin erwartete Welle niedrig halten. Die Omikron-Variante stellt das Land nun vor eine unerwartete Herausforderung. Und den Kontinent erst recht. Fast genau ein Jahr, nachdem die weltweit erste Corona-Impfung verabreicht wurde, sind nur 102 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent geimpft. Das entspricht 7,5 Prozent. In zahlreichen afrikanischen Ländern liegt die Quote sogar unter 1 Prozent.

Je weniger Menschen geimpft sind, desto mehr Gelegenheit hat das Virus zu mutieren. Vor allem in immungeschwächten Menschen. Da geht es nicht nur um HIV und Aids, sondern auch um Tuberkulose- und Grippepatienten und mangelernährte Bevölkerungsteile. Die Antwort auf die Frage, warum zum zweiten Mal - nach Beta - mit Omikron wieder eine neue Variante auf dem afrikanischen Kontinent - besser gesagt in Südafrika - entdeckt wurde, ergibt sich scheinbar von selbst.

"Unter Berücksichtigung des großen Anteils immunkompromittierter Menschen hier, war es zu erwarten. Das Virus hält sich länger in ihrem Körper auf, hat mehr Zeit zu mutieren", so Dr. Nicksy Gumede-Moeletsi, Virologin für das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation in Brazzaville, Kongo. Aber sie mahnt vor schnellen, einfachen Schlüssen: "Wir wissen noch nicht, wo die Omikron-Variante zuerst aufgetreten ist."

Voreilige Schlüsse?

Südafrika ist das sehr wichtig. Das Land hat die besten Labore auf dem Kontinent, Wissenschaftler von Weltklasse und ein wegen der HIV/Aids und Tuberkulose Pandemie erprobtes Sequenzier- und Nachverfolgungs-System. Natürlich entdeckt man hier schnell neue Varianten. Das heißt aber nicht, dass sie in Südafrika entstehen. Von Gottberg verweist auf zahlreiche Studien, die zeigen: Auch in Europa und den USA entstehen Virusmutationen in immunkompromittierten Patienten.

Die Forschergemeinschaft im südlichen Afrika ist verärgert über Panikreaktionen europäischer und nordamerikanischer Nationen, die Reisebeschränkungen verhängt haben. Viele Politiker machen die Wissenschaftler für den großen wirtschaftlichen Schaden verantwortlich, den die Omikron-Variante in Südafrika angerichtet hat, obwohl bisher alle Infizierten einen leichten Verlauf der Erkrankung erlebt haben. Ein Virologe sagt im privaten Gespräch: "Nächstes Mal machen wir es wie Tansania. Erzählen niemandem etwas und beten lieber drei Tage."

Von Gottberg formuliert den Gedanken eher nüchtern: "Wir haben Hypothesen und Ideen, aber wir stehen am Anfang unserer Forschung. Lassen Sie uns Daten sammeln. Ich hoffe, wir werden schnell mehr über die Omikron-Variante wissen und hoffentlich schnell die Grenzen wieder öffnen, damit Menschen sich frei bewegen können." Sie nickt und verabschiedet sich mit einem einfachen "Over!"