Sahra Wagenknecht erhebt schwere Vorwürfe gegen Karl Lauterbach

Ist SPD-Gesundheitsexperte „Architekt eines Systems“, das Pflegekräfte in den Selbstmord treibt?

„Ja, hallo und herzlich willkommen“, eröffnet Sahra Wagenknecht (Die Linke) eine weitere Folge von „Bessere Zeiten – Wagenknechts Wochenschau“ am Donnerstag.

Ging es vergangene Woche noch um „2G und Impfpflicht? Wie die Politik die Realität ausblendet“, spricht Wagenknecht jetzt über eine „Katastrophe mit Ansage – Wie Lauterbach & Co Kliniken auf Profit getrimmt und daran verdient haben“.

Wie ist das zu verstehen? Lauterbach als Profiteur und Kriegsgewinnler? Aber um welchen Krieg handelt es sich hier? Jenen gegen das Virus oder gegen Kritiker der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung?

Zunächst schildert die Politikerin eine dramatische aktuelle Lage von Verlegungen von Intensivpatienten über hunderte von Kilometern, von verschobenen Operationen und der „unterschwelligen“ Botschaft, dass die Ungeimpften daran schuld seien.

Quelle: https://reitschuster.de/post/sahra-wagenknecht-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-karl-lauterbach/


Lauterbach findet Wagenknecht peinlich
Gefühlt sind die Schnittstellen in dieser Wochenschau schon zu Beginn häufiger als sonst. Wagenknecht dreht Ihre Sendungen nicht in einem Stück ab, da wird offensichtlich auch mal an einer Aussage etwas länger gefeilt und geschnitten, das Thema ist heikel, die Anwürfe gegen Wagenknecht werden insgesamt heftiger, da ist noch einmal mehr Sorgfalt gefragt.

Sie sei „peinlich“, hatte Lauterbach zuletzt über Wagenknechts Thesen zu den Corona-Maßnahmen getwittert, auch seine verbalen Übergriffe bei Anne Will von Anfang November wirken nach und mögen Anlass sein für den Gegenangriff der gebürtigen Jenaerin.

Wagenknecht findet die aktuellen Hilferufe aus Kinderkliniken noch schlimmer, als jene aus den Erwachsenenstationen. Es gäbe Kliniken, die schon jetzt keine Notfälle mehr aufnehmen könnten, Operationen würden verschoben.

Aber nicht etwa nur planbare, so Wagenknecht, sondern teilweise ginge es hier darum, „dass Kinder Tumore haben, die nicht mehr operiert werden, weil keine Kapazitäten dafür frei sind“. Jeder wüsste doch aber, dass nicht oder zu spät operierte Tumore für Patienten das Todesurteil sein könnten.

Anschließend vergleicht Wagenknecht die Statistiken der Intensivstationen (DIVI) der Erwachsenen mit denen der Kinder. Für die Erwachsenen stellt Wagenknecht fest, dass hier die Dramatik im Vergleich zum Vorjahr wesentlich auf den Rückgang der Zahl der Intensivbetten zurückzuführen sei, währenddessen man bei den Kindern sehe, dass es einfach immer mehr Intensivpatienten im Kindesalter mit entsprechenden Problemen gebe.

Aber woran liegt das? Daran, dass Kinder unter zwölf Jahren bisher nicht gegen Corona geimpft werden konnten? Nein, sagt Sahra Wagenknecht, „es gibt so gut wie keine Corona-Patienten unter den Kindern“. Corona sei in den Kinderintensivstationen ganz sicher nicht das Problem.

Dennoch habe die wachsende Belegung der Kinderintensivplätze etwas mit Corona zu tun, so Wagenknecht: „Aber nicht mit dem Corona-Virus, sondern mit der Corona-Politik.“ Die Corona-Maßnahmen mit Lockdowns, Schulschließungen usw. seien nicht nur ein Angriff auf die Psyche der Kinder, „sondern auch auf ihre Physis“, so die Linkspolitikerin. „Bewegungsmangel, wenig Kontakte, machen Kinder dick und krank.“ Es gebe heute mehr adipöse Kinder in Deutschland als jemals zuvor.

Kinder werden von Isolation krank gemacht
Für Wagenknecht sind die Corona-Maßnahmen „ein massiver Angriff auf die Entwicklung des kindlichen Immunsystems“. Und das liege daran, dass keine Auseinandersetzung mehr stattfände mit harmlosen Erkältungserregern und anderen Viren. „So trainiert ein Kind sein Immunsystem, so wird es dann auch immer resistenter. Und genau das ist jetzt seit eineinhalb Jahren massiv unterbrochen worden“, so Wagenknecht.

„Wer das Leben und die Gesundheit der Kinder schützen will, der muss nicht für eine Corona-Impfung für Kinder trommeln, sondern der muss alles dafür tun, dass Kinder ihr normales Leben fortführen können“, fährt sie nach Blick auf die Statistiken fort.

Die Zunahme der schweren Atemwegserkrankungen der Kinder sei hier das eine – die Zunahme der Engpässe auch auf den Kinderintensivstationen ist für Wagenknecht aber vor allem auch Ergebnis des „massiven Kaputtsparens der Kapazitäten (und) eines dramatischen Personalabbaus.“

Die Regierenden hätten das in den vergangenen Jahren mit Gleichgültigkeit hingenommen „einschließlich der vielen vermeidbaren Todesfälle“, befindet Wagenknecht. Hingenommen hätten das die gleichen Politiker, „die sich heute als massive Retter von Menschenleben inszenieren“.

Anhand von Zeitungsausschnitten aus der Zeit vor Corona zeigt die Wochenschau der Linkspolitikerin, dass der Abbau der Intensivplätze auf den Kinderstationen ein altbekanntes, von der Politik hingenommenes Problem sei. Gültig sei das im Übrigen, so Wagenknecht, auch für die Stationen der Erwachsenen.

Der Notstand begann viel früher
Aber warum ist das so? Wagenknecht verweist auf eine Entscheidung, die 2003 (!) von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gefällt wurde. Gesundheitsministerin war damals Ulla Schmidt (SPD).

Und dann ist Sahra Wagenknecht endlich bei Karl Lauterbach angekommen, der sei nämlich damals Schmidts „Superberater“ gewesen. Die beiden hätten das gesamte System der Krankenhausfinanzierung komplett umgestellt. Im Zentrum hätte dabei die neue Idee der sogenannten „Fallpauschale“ gestanden. Es sei darum gegangen, erklärt Wagenknecht, in möglichst kurzer Zeit am Patienten möglichst viel Aufwand zu betreiben. Es gebe in Europa kein anderes Land, in dem in den Jahren vor Corona beispielsweise so viele künstliche Hüftgelenke eingesetzt wurden wie in Deutschland.

Und weil es darum ging, möglichst wirtschaftlich zu handeln, sei auch bei den Mitarbeitern gespart worden, so Wagenknecht. Seit Ulla Schmidt und Karl Lauterbach sei massiv an der Pflege gespart worden, die Auswirkungen wären bis heute spürbar. Die medizinische Versorgung der Bürger wurde nach Wagenknecht von da an rein nach seiner Wirtschaftlichkeit neu geordnet.

Und dann zeigt die rote Wagenknecht ihre immer noch intakte antikapitalistische Seite:

„Diese Logik des Manchester-Kapitalismus, die hat man damals in das Gesundheitssystem hineingebracht und hat das Gesundheitssystem zu einem gewinnorientierten Wirtschaftszweig gemacht. (…) Und ein Krankenhaus, das nicht rentabel war, lief natürlich massiv Gefahr, geschlossen zu werden.“

Daraus resultierend habe sich nach Wagenknecht auch der Selbstauftrag der Krankenhäuser gewandelt von der Frage, was man für den Patienten tun kann, hin zur Frage, was man mit dem Patienten verdienen könne. „Das Ergebnis ist genau die Misere, die wir heute erleben“, schlussfolgert die linke Bundestagsabgeordnete.

Konkret in Zahlen habe Deutschland noch 1991 über 665 Tsd. Krankenhausbetten verfügt, 2019 seien es nur noch etwas unter 500 Tsd. gewesen, bemängelt Wagenknecht. Die Krankenhauszahl ging derweil im selben Zeitraum von 2.411 runter auf 1.914.

Fairerweise muss man vielleicht einschieben, was Wagenknecht hier auslässt, nämlich dass es bestimmte Zusammenlegungen von Krankenhäusern gab. Aber man kann nun mal keine Betten zusammenlegen. Nach wie vor liegt nur ein Patient gleichzeitig in einem Bett. Untersuchen könnte man hier höchstens noch, wie die Auslastung der Betten sich entwickelt hat.

Wagenknecht isoliert den ihrer Meinung nach Schuldigen
Sahra Wagenknecht zitiert Karl Lauterbach aus einem seiner älteren Twitter-Nachrichten:

„Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten …“

Wagenknecht bedankt sich, dass seinem Vorschlag nicht gefolgt wurde: „Vielen Dank an die Länder und Städte, die das verhindert haben.“ Sie möge sich heute nicht ausmalen, wie es ansonsten jetzt in unseren Krankenhäusern und Intensivstationen aussehen würde.

Mitte der 1990er Jahre gab es laut Wagenknecht 420.000 Pflegekräfte, von denen 2019 nur noch 320.000 übriggeblieben seien.

Und exakt in dem Zusammenhang sollen sich laut Wagenknecht dann lange vor Corona berufsbedingte Krankheiten beim Krankenhauspersonal überproportional ausgebreitet haben: vom klassischen Burnout über psychische Probleme bis hin zu einer Häufung von Selbstmorden.

Und zuletzt die „Flucht aus dem Beruf“, ergänzt die Politikerin.

Aber was hat das alles mit Lauterbach zu tun? Er ist für Wagenknecht der „Architekt dieses Systems“. Und er habe damit „gut Geld verdient“, als er über zehn Jahre lang im Aufsichtsrat eines privaten Krankenhauskonzerns saß. Da habe er in dieser Zeit über eine halbe Million Euro kassiert.

Nun seien allerdings alleine im letzten Jahr über 600 Millionen Euro in die Krankenhäuser geflossen, um zusätzliche Intensivbetten zu schaffen, so Wagenknecht.
Umgerechnet wären das in etwa 13.000 zusätzliche Intensivbetten. Im Ergebnis sind aber von 30.000 Betten im letzten Jahr nur noch 22.000 einsatzfähige Betten geblieben.

Dazu habe es noch etliche Prämien extra gegeben, insgesamt fast 15 Milliarden Euro seien geflossen. Damit aber seien dann die Aktionäre beglückt worden, sagt die Linkspolitikerin. Teilweise seien da die höchsten Dividenden ausgeschüttet worden.

„Die privaten Krankenhäuser schwimmen seit Corona im Geld“, so Wagenknecht. Das alles zeige, wie absurd es sei, einen Krankenhausbetrieb wie einen kommerziellen Wirtschaftsbetrieb zu führen.

Was aber ist Sahra Wagenknechts Vorschlag? Die 15 Milliarden sind weg, verschenkt, sagt sie. Man müsse nun leider erneut Geld in die Hand nehmen, aber für Pflegekräfte. Und die 13.000 Intensivbetten sind wahrscheinlich auch gekauft worden, würden aber ein Dasein fristen, verstaut in Plastik eingepackt in den Kellern der Krankenhäuser, mutmaßt die Politikerin.

Auch die Pflegekräfte seien noch da, Verdi habe ermittelt, dass Hunderttausende in ihre Pflegeberufe zurückkehren würden, wenn nur die Bedingungen verbessert werden würden.

Wagenknecht erneuert deshalb ihre Forderung, jeweils 20.000 Euro Wiedereinstiegsprämie in ehemalige Pflegekräfte zu investieren: „Da soll niemand sagen: unfinanzierbar. Wenn man Intensivbetten bezahlen kann, die es dann nicht gibt, mit 600 Millionen, dann kann man auch solche Einstiegsprämien finanzieren.“