Strengere Spiel-Regeln für die Kitas

108 Einrichtungen mussten zuletzt wegen Corona-Fällen Gruppen in Quarantäne schicken – die Mehrheit der Infizierten sind dabei nicht Kinder, sondern Mitarbeiter. Wegen der neuen Maßnahmen müssen manche Kitas nun die Betreuungszeiten reduzieren.

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-corona-kitas-regeln-1.5469198

Angelika Mayr und ihre Mitarbeiterinnen haben Tische und Stühle geschleppt, sie haben Spielsachen desinfiziert und von einem Raum in den anderen geräumt. Sie haben Funktionsräume in Gruppenräume umgewandelt, und das alles an einem Tag. Denn seit vergangenem Montag sollen sie die 48 Kinder ihrer Krippe wieder in festen Gruppen betreuen, nicht mehr im offenen Konzept, wie sie das hier eigentlich machen. Das hat die Stadt München in einer Allgemeinverfügung festgelegt, und zwar erst am Freitag vorher.

Seit 31 Jahren arbeitet Angelika Mayr in einer Kita, sie leitet die Krippe Kinderwelt des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Dort werden Kinder im Alter von wenigen Monaten bis drei Jahren betreut, deren Eltern im Klinikum Großhadern arbeiten. Für die Eltern bedeutet die neue Regelung der Stadt München vor allem eines: zwei Stunden Betreuungszeit weniger pro Tag. "Wir haben nicht ausreichend Personal, um die Kinder von 6.30 Uhr bis 17 Uhr in festen Gruppen zu betreuen", sagt Angelika Mayr.

Seit Ende Mai haben die Kitas in München nach Monaten mit Notbetreuung wieder im Regelbetrieb gearbeitet. Doch das ist vorbei, die Münchner Allgemeinverfügung ist noch strenger als die bayerische Regelung, die zu Randzeiten ein Zusammenlegen der Gruppen aus personellen Gründen erlaubt. Die Meldungen über Corona-Fälle in den Kitas steigen, das Infektionsgeschehen sei aber weniger dynamisch als bei den höheren Altersgruppen, heißt es aus dem Gesundheitsreferat (GSR). Schulen und Kitas sollen offen bleiben, auch bei den derzeit sehr hohen Inzidenzen, das hat Ministerpräsident Markus Söder am Freitag in seiner Pressekonferenz betont. Auch in den Horten und Mittagsbetreuungen sollen Kinder inzwischen aber wieder in festen Gruppen betreut werden.

Die Liste der geschlossenen Kitas in München wird indes länger, am Montag vergangener Woche waren Gruppen in 75 Kitas geschlossen, am Donnerstag in 95 Kitas, am Freitag waren es Gruppen in 108 Kitas; aus diesen wurden in den ersten beiden Novemberwochen 196 Corona-Fälle gemeldet. In München gibt es allerdings knapp 1500 Kitas. In der Mehrheit der Fälle haben sich Mitarbeiter, nicht Kinder infiziert. Das Verhältnis gibt das GSR mit drei zu zwei an.

Eltern können sich Berechtigungsscheine für Tests in der Kita abholen
Ministerpräsident Söder kündigte auf seiner Pressekonferenz am Freitag an, dass in den Kitas nun nach und nach Pooltests eingeführt werden sollen. Tests, wie sie an den Grund- und Förderschulen bereits gemacht werden. Denn im Moment wird an den Kitas ganz unterschiedlich intensiv getestet.

Klar ist: Ungeimpfte Mitarbeiter müssen sich drei Mal die Woche testen, sonst dürfen sie nicht zur Arbeit kommen, in manchen Einrichtungen testen sie sich täglich. Für Kita-Kinder sind die Tests freiwillig, Eltern können sich Berechtigungsscheine in der Kita abholen, inzwischen für drei Selbsttests die Woche. Das müssen die Kita-Leiterinnen dokumentieren - was zusätzliche Arbeit bedeutet.

"Die Arbeitsbelastung für die Einrichtungsleitung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas ist während der Pandemie enorm gestiegen", sagt Raymond Walke, Geschäftsführer von Parikita, einer Tochtergesellschaft des Paritätischen und Träger von 28 Kitas in München. "Jeder zusätzliche bürokratische Aufwand bedeutet noch weniger Zeit für die Arbeit mit den Kindern, für die ein normaler Kita-Alltag das Wichtigste ist." Nur zwischen fünf und 20 Prozent der Eltern holten sich die Berechtigungsscheine in den Einrichtungen von Parikita ab, sagt er. Die Leiterin einer anderen Kita spricht von einem Drittel der Eltern, in anderen Einrichtungen nehmen fast alle das Angebot wahr.

Noch am Donnerstag vergangener Woche hielt die Stadt München an der Entscheidung fest, keine PCR-Pooltests an den Kitas einzuführen. Stadtschulrat Florian Kraus sagte, freie und öffentliche Träger hätten diese Entscheidung gemeinsam getroffen. "Da auch bei den PCR-Pooltests die Teilnahme an den Testungen freiwillig ist und die Probenentnahme außerhalb der Kita durchgeführt wird, entstünde mit diesem Testverfahren in den Münchner Kitas nicht zwangsläufig ein höherer Schutz und mehr Sicherheit." Er hat das gesagt, aber mit dem Zusatz, dass sich die Corona-Lage dynamisch entwickle und die aktuell gültigen Maßnahmen immer wieder neu bewertet werden, weil sich die Vorgaben des Freistaats oder auch die politische Willensbildung entsprechend ändern können.

Welche Mitarbeiterinnen geimpft sind und welche nicht, das weiß die Caritas
Erst einmal wird weitergetestet wie bisher. "Nicht alle Eltern holen sich ihre Berechtigungsscheine ab", sagt zum Beispiel Irmgard Löffler, Fachdienstleiterin des Caritas-Kinderhauses St. Jakob. Aber wer sein Kind testet, der legt dann auch das Ergebnis vor. In der Eltern-Kind-Initiative (EKI) Drachenei holen sich inzwischen fast alle Eltern die Scheine, sagt Monika Griebeler aus dem Vorstand der EKI. Negative Testergebnisse müssen die Eltern nicht nachweisen. "Als Elterninitiative vertrauen wir auf das Verantwortungsbewusstsein der Eltern. Das hat bisher gut funktioniert."

Bisher seien sie glimpflich davongekommen, sagt Griebeler. Sie hätten noch nie eine Gruppe in Quarantäne gehabt - bis Donnerstag vergangener Woche. Ein Kind war positiv getestet worden, bestätigt von einem PCR-Test, und nun sind beide Krippengruppen geschlossen. Beide Gruppen, weil sich die Kinder auf dem Flur und im Bad begegnen, auch wenn sie in festen Gruppen betreut werden. Was die Impfquote angeht: Der größte Teil des Personals sei geimpft.

Welche Mitarbeiterinnen geimpft sind und welche nicht, das weiß die Caritas. Führt aber nach Angaben der Pressesprecherin keine Statistik darüber. Die Caritas appelliere an die Mitarbeiterinnen, sich impfen zu lassen und stelle sie für Impftermine frei. Bei Neueinstellungen auf den Impfstatus zu achten, das könnten sie sich bei dem Fachkräftemangel im Bereich Kita nicht leisten, sagte eine Sprecherin.

Im Minihaus München, einer privaten Kita mit mehreren Einrichtungen, sei das Personal nur in Einzelfällen nicht geimpft, sagt der fachliche Leiter Günther Hanel. "Wir merken, dass sich in den letzten Wochen noch etwas getan hat." Den Einrichtungen gelinge es noch, die Betreuung auch zu den Randzeiten anzubieten, auch wenn sie immer wieder mit Personalengpässen zu kämpfen haben - wegen allen möglichen Infekten, nicht nur wegen Corona. "Wir müssen sehr genau planen, das ist eine große organisatorische Herausforderung." Ja, auch bei ihnen nähmen die Corona-Fälle in den vergangenen Wochen zu, sagt Hanel. Aber moderat.

Was Angelika Mayr, die Leiterin der Kita in Großhadern, an der ganzen Sache mit den festen Gruppen besonders stört, ist, dass sie die Kinder nun nicht mehr gruppenübergreifend in Altersgruppen fördern kann. "Die Projektarbeit mit den Zwei- bis Dreijährigen, die fällt jetzt weg." Sprachförderung sei mit den Masken ohnehin nicht möglich, die Kinder erkennen ja keine Mimik. Gerade die kleinen Kinder seien verwirrt von den Änderungen und reagierten zum Beispiel in der Bring- und Abholsituation mit Weinen. Das wiederum verunsichere die Eltern. Und den Ärger - den bekomme das Personal ab.