Sich für die Allgemeinheit impfen lassen? – Wider eine falsch verstandene Solidarität

Wer noch immer nicht geimpft ist, sieht sich zunehmend moralischem Druck ausgesetzt. Immer enger werden die Grenzen der Freiheit des Einzelnen durch die Absolutsetzung des Gesundheitsschutzes gezogen. Das ist wenig liberal und ruft nach Widerspruch.

Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/sich-fuer-die-allgemeinheit-impfen-lassen-wider-eine-falsch-verstandene-solidaritaet-ld.1640173

Nach rund eineinhalb Jahren der willkürlichen Aussetzung von Grundrechten scheinen viele hingenommen zu haben, dass heute nicht mehr alle frei und gleich an Rechten leben dürfen. Dieser Meinungsumschwung scheint hauptsächlich dem penetranten Appell geschuldet zu sein, wonach man im Namen der Gesundheit seine eigenen Bedürfnisse zugunsten jener anderer zurückzustellen habe. Das Impfen wird nicht mehr als eine Frage des Selbstschutzes behandelt, sondern als ein altruistischer Akt der individuellen Aufopferung zum angeblichen Wohle der Allgemeinheit. Der Kollektivismus als neuer ethischer Imperativ in der «aufgeklärten» Welt jener Individuen, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit von ihrer «selbstverschuldeten Unmündigkeit» (Kant) losgesagt hatten.


Recht auf Privatsphäre
War es einst eine Selbstverständlichkeit in der «freien Welt», dass das Recht auf Privatsphäre eine schützende Hand über den Bereich der persönlichen Gesundheit legte und diese in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen lag, wurden diese Grundsätze plötzlich in ihr Gegenteil verkehrt. Neu muss jeder regelmässig Auskunft über seinen Gesundheitszustand gewähren, während man gleichzeitig für die Gesundheit aller anderen verantwortlich gemacht wird, was mit einer freien Gesellschaft völlig inkompatibel ist. Denn die Grenzen der Freiheit jedes Einzelnen werden durch diese Absolutsetzung des Gesundheitsschutzes so eng gezogen, dass von individueller Freiheit keine Rede mehr sein kann.

Eine der schlagkräftigen Waffen im Arsenal der Kollektivisten ist der Solidaritätsbegriff.
Diese wieder aufgewärmte Ideologie des Altruismus, welche besagt, die Bedürfnisse der anderen seien höher zu gewichten als die eigenen, stiess auch deshalb auf breite intuitive Akzeptanz, weil sie immer noch tief in unseren Genen verankert ist. Das Überleben der überschaubaren Gruppe in der Stammesgesellschaft unserer Vorfahren hing stark von der Selbstaufopferung ab. Wer sich den Traditionen und Hierarchien des Stammes nicht unterwarf, wurde oft einen Kopf kürzer gemacht. Versucht man dieses altruistische Prinzip hingegen der heutigen anonymen Grossgesellschaft überzustülpen, wird man notwendigerweise scheitern, wie uns die vielen sozialistischen Experimente schmerzhaft vor Augen geführt haben.

Eine schlagkräftige Waffe im Arsenal der Kollektivisten ist der Solidaritätsbegriff, welcher im Zuge der Covid-19-Massnahmen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und missbraucht wird. «Solidarität» beschreibt genau genommen das unbedingte Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele. Dies impliziert, dass die gewährte Unterstützung oder das Eintreten für jemanden aus freien Stücken zu erfolgen hat – und nicht aufgrund der Nötigung in Form eines politisch angedrohten Ausschlusses aus der Gesellschaft: Nichts anderes stellt die exklusive Vergabe von Grundrechten an Zertifizierte dar.


Sonderinteressen von wenigen
Jedes Mal, wenn als Rechtfertigung für politische Zwangsmassnahmen die Solidarität ins Feld geführt wird, kommt dies einem Versuch gleich, Sonderinteressen von einigen auf Kosten anderer durchzusetzen, indem man die Interessen der einen zum Allgemeinwohl hochstilisiert und die Interessen der anderen als «egoistisch» brandmarkt. Dabei gibt es viele Gründe, die für oder gegen eine Impfung sprechen können – in beiden Fällen aus egoistischen und altruistischen Überlegungen, zumal es keinen wissenschaftlichen Konsens in Bezug auf die längerfristige Wirkung der neuartigen Impfstoffe gibt und deshalb keine objektiv gültigen Kosten-Nutzen-Analysen angestellt werden können.

Der moralisierende Fingerzeig ist deshalb völlig unangebracht und taugt in keiner Weise dafür, eine Apartheid-Politik zu legitimieren, welche die Menschheit in zwei Klassen aufteilt und eine davon anprangert, ausgrenzt und entrechtet. Liberale sollten sich einem solchen Unrechtsregime entschlossen entgegenstellen, denn es bedroht nicht nur die stigmatisierten Minderheiten, sondern auch die liberale Idee als solche.