Wie gefährlich ist Delta?

Seit Ende Juni 2021 dominiert die Delta-Variante des Coronavirus das Infektionsgeschehen auch in Deutschland. Was wissen wir über die Corona-Variante?

Die Delta-Variante des SARS-Coronavirus-2 trat im Dezember 2020 in Indien das erste Mal auf und wurde innerhalb von drei Monaten die vorherrschende Variante im ganzen Land. Im Mai 2021 starben in Indien täglich tausende Menschen an Infektionen mit mutmaßlich dieser Variante. Auch in England breitete sie sich im zweiten Quartal dieses Jahres rapide aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die Delta-Variante zu den derzeit vier Besorgnis erregenden Varianten von SARS-CoV-2. In Deutschland kursiert sie seit Anfang Mai und machte Ende Juni knapp die Hälfte aller positiven Tests aus.  

Quelle: https://www.helmholtz.de/gesundheit/wie-gefaehrlich-ist-delta/


Die Delta-Variante zeigt Veränderungen an einigen Stellen im Spike Protein, dem charakteristischen Oberflächenprotein von SARS-CoV-2. Mit dem Spike-Protein dockt das Virus an menschliche Zellen an, um sie zu infizieren. Welche Auswirkungen die Mutationen haben, versuchen Forscher in verschiedenen Projekten  herauszufinden. Beeinflussen sie die Übertragbarkeit des Virus?  Wie gut erkennt das Immunsystem nach einer überstandenen Infektion oder Impfung auch die Delta-Variante?

Schnelle Ausbreitung, höhere Ansteckung, geringe Todesrate

Dass die Delta-Variante sich so schnell verbreitet, hat möglicherweise auch mit den Symptomen zu tun, die sie auslöst: An erster Stelle der erfassten Covid-Symptome stehen inzwischen Kopfschmerzen, gefolgt von einer laufenden Nase. Weniger Patienten berichten dagegen von Geschmacksverlust und Kurzatmigkeit. Weil sie die Coronainfektion nicht als solche erkennen, stecken sie möglicherweise unwissentlich Menschen in ihrer Umgebung an.

Die britische Gesundheitsbehörde (Public Health England, PHE) wertete für das erste Halbjahr 2021 Ergebnisse von fast 400 000 Infektionen mit den Varianten Alpha und Delta aus, die per Sequenzierung oder Genotypisierung bestätigt waren. Patientendaten für den gesamten April und Mai 2021 zeigten, dass mit der Delta-Variante Infizierte das Virus etwa ein Drittel häufiger weitergeben als solche, die mit der Alpha-Variante infiziert waren. Insbesondere innerhalb eines Haushaltes ist die Ansteckungsgefahr bei Infektionen mit der Delta-Variante offenbar höher als bei der Alpha-Variante. Inzwischen enthalten fast alle in England sequenzierten postitiven Testproben die Delta-Variante.

Eine Auswertung von Daten im Rahmen der Studie EAVE II (Early Pandemic Evaluation and Enhanced Surveillance of COVID-19) an der Universität von Edinburgh zeigte Mitte Juni, dass mit der Delta-Variante Infizierte deutlich häufiger in ein Krankenhaus aufgenommen wurden als mit Alpha infizierte Patienten. Dieser Trend bestätigte sich, wenn auch weniger ausgeprägt, über mehrere Wochen in England. Laut einer Studie der PHE ist die Todesrate unter Patienten mit der Delta-Variante seit ihrem Auftreten Ende März 2021 konstant gering bei 0,2 % geblieben. Der Schutz vor schweren und tödlichen Verläufen durch die Impfung spielt dabei vermutlich eine wichtige Rolle.

Wie enstehen Virusmutationen?
Anders als Bakterien brauchen Viren eine Wirtszelle, um zu überleben. Sie dringen mit ihrer Erbinformation in die Wirtszelle ein und nutzen deren Zellfunktion um sich zu vermehren. Die Erbinformation, das Genom, wird kopiert. Während der Infektion vervielfältigt das Virus sein Erbgut millionenfach.Bei diesem Vorgang können kleine Fehler vorkommen, von denen die meisten ohne Folgen bleiben. Einige der zufällig entstehenden Veränderungen können dabei die Fitness des Virus beeinflussen: Es kann sich beispielsweise schneller vermehren, bleibt länger außerhalb des Körpers erhalten oder wird vom Immunsystem schlechter erkannt.Coronaviren besitzen Mechanismen, mit denen sie Fehler bei der Abschrift des Erbguts korrigieren können, deshalb mutieren sie weniger als manch anderes Virus.Trotzdem gilt: Je höher das Infektionsgeschehen ist, je mehr Menschen also zu jedem Zeitpunkt infiziert sind, desto mehr Mutationen können entstehen. Solange SARS-CoV-2 im Umlauf ist, werden immer neue Varianten auftreten - stets mit dem Risiko, dass sie das Virus für Menschen gefährlicher machen.Deshalb ist ein wichtiges Ziel der Impfung nicht nur der individuelle Schutz vor Erkrankung sondern auch der Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Virus.
Vollständige Impfung schützt

Die schottischen und englischen Daten zeigen auch, dass eine vollständige Impfung gut vor symptomatischer Erkrankung und vor Krankenhausaufnahme bei einer Infektion mit der Delta-Variante des Virus schützt. Im Mai hatte die Erkenntnis viel Aufmerksamkeit erregt, dass die erste Impfdosis allein einen deutlich geringeren Schutz gegen eine Infektion mit der Delta-Variante bietet. Mit der zweiten Impfdosis ist dieser Unterschied allerdings so gut wie ausgeglichen.

Dabei verhindert der Impfstoff von BioNTech/Pfizer zuverlässiger die Infektion mit der Delta-Variante und eine symptomatische Erkrankung als der von AstraZeneca. Die verschiedenen Studien hierzu basieren auf Beobachtungsdaten aus den Gesundheitssystemen und vielfältigen statistischen Methoden und sind stets mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. In Deutschland gab es zudem einige kleinere Studien, in denen sich abzeichnet, dass eine Kreuzimpfung mit AstraZeneca gefolgt von einem mRNA-Impfstoff einen besseren Schutz gegen Coronavirus-Varianten bietet, als die zweifache Impfung mit AstraZeneca. Wie sicher und wie lange eine vorhergehende SARS-CoV-2 Infektion vor der Ansteckung mit einer neuen Variante oder vor einer Erkrankung schützt, ist bisher noch unklar.

In Deutschland bündelt das Robert Koch-Institut (RKI) die von den Gesundheitsämtern erhobenen Daten, Virussequenzen und Laboruntersuchungen zum Auftreten von Varianten.

Seit Ende Juni ist Delta auch hier dominant, etwa drei Viertel aller analysierten positiven Proben enthielten Anfang Juli diese Virusvariante. Diese Zahl spiegelt näherungsweise den Anteil der mit Delta Infizierten unter allen neu registrierten Fällen. Auch in Deutschland wurde laut gemeldeter Daten zunächst ein größerer Anteil der mit der Delta-Variante infizierten Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen. Anfang Juli näherten sich der Anteil der Krankenhausaufnahmen unter Patienten mit der Delta- und der Alpha-Variante an und lag für beide bei etwa einem von 20 bestätigten Fällen.

Die Jüngeren schützen

Die Ausbreitung der offenbar ansteckenderen Delta-Variante hat auch die öffentliche Diskussion um die  Impfung für Kinder und Jugendliche angeheizt. In England, wo Delta nun die vorherrschende Variante ist, zeichnet sich ab, dass Kinder und Jugendliche sich häufiger infizieren, als Menschen ab 25 Jahren. Dabei gibt es in den Altersgruppen von fünf bis 24 Jahren bisher nicht mehr Krankenhausaufnahmen als unter älteren Menschen. In Deutschland ist laut RKI der Anteil der mit Delta infizierten Patienten, die in ein Krankenhaus aufgenommenen wurden, in den Altersgruppen zwischen fünf und 34 Jahren jeweils etwas höher als der mit Alpha infizierten. Hier könnten die Sommerschulferien die Ausbreitung des Virus unter Schüler:innen verlangsamen. Manche Experten warnen trotzdem auch hier vor einer zunehmenden Verlagerung der Infektionen in die ungeimpften Altersgruppen. Ein signifikanter Anteil der Erkrankten könne langfristige Folgen erleiden - mit möglicherweise ernsthaften gesellschaftlichen Konsequenzen. Sie mahnen, nicht-pharmazeutische Interventionen wie das Tragen von Masken und Abstandhalten aufrechtzuerhalten, um die jungen Menschen zu schützen. Für die Schulen empfehlen sie geeignete Lüftungen und hybride Unterrichtsmodelle aus Präsens und online Zuschaltung. Zudem raten sie, die allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche zu erwägen. Auch die möglichst vollständige Impfung von Eltern und Kontaktpersonen der Schüler:innen trägt dazu bei, den Schulbetrieb zu ermöglichen.