Sorge über indirekte Corona-Impfpflicht

Die Corona-Impfung ist freiwillig. Das hat die Bundesregierung immer wieder betont. Jetzt möchte aber manches Privatunternehmen die Impfung vorschreiben. Und bestimmte Berufsgruppen könnten ebenfalls dazu verpflichtet werden. Kritiker befürchten deshalb eine Impfpflicht durch die Hintertür.

Spahn am 26.06.2020: „Es wird bei einer freiwilligen Impfung bleiben. Schreiben Sie es auf…“
Von Seiten der Bundesregierung ist die Sache klar: Eine Impfpflicht wird es nicht geben. Sie sei in Deutschland bis auf die Masernschutzimpfung generell ausgeschlossen, heißt es. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat diese Position im Parlament genauso bekräftigt wie Kanzlerin Angela Merkel in einer ihrer Videobotschaften.

Niemand wird gezwungen werden, sich impfen zu lassen, sondern es ist eine freiwillige Entscheidung.

Angela Merkel, CDU Bundeskanzlerin
Trotzdem kocht die Debatte um eine verpflichtende Corona-Immunisierung immer wieder hoch. Und das nicht ohne Grund. Denn die australische Airline Qantas hat zum Beispiel angekündigt, auf Interkontinentalflügen nur noch geimpfte Passagiere zu befördern. Daneben wurde diskutiert, ob Gaststätten von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Ungeimpfte ausschließen könnten.

Vertragsfreiheit im Privaten
Letzteres sei von der Vertragsfreiheit gedeckt, sagt die Gesundheitsrechtlerin Andrea Kießling von der Ruhr-Uni Bochum: "Deswegen ist auch der Begriff der indirekten Impfpflicht falsch, wenn es ums Private geht, weil ich natürlich auch andersrum als Verbraucherin, als Kundin, nicht gezwungen bin, mit einem bestimmten Gastwirt oder einer bestimmten Fluglinie Geschäfte zu machen." Da man sich freiwillig gegen die Impfung entschieden habe, müsse man im privaten Bereich solche Einschränkungen hinnehmen.

Fraglich sei, ob Privatunternehmen den Impfstatus ihrer Kundinnen und Kunden in Erfahrung bringen dürften, ergänzt Kießling. Wenn ein konkretes Gesundheitsrisiko bestehe, könne der Datenschutz eventuell zurücktreten.

Ethikrat: Nachteile müssen begrenzt sein
Wolfram Henn, Humangenetiker und Mitglied des Deutschen Ethikrates, warnt vor zu viel privatwirtschaftlicher Eigeninitiative. "Man darf’s nicht übertrieben", sagt er. Es dürfe kein solcher privatrechtlicher Druck aufgebaut werden, dass der "allgemeine Lebensvollzug" unmöglich gemacht werde.

Auch wenn sich nicht impfen zu lassen in jeder Hinsicht unvernünftig und unsozial ist, darf es nicht dazu kommen, dass jemand zum Beispiel keine Bahn mehr fahren darf.

Wolfram Henn Mitglied des Deutschen Ethikrates

Pflicht für Berufsgruppen möglich
Was ist aber mit dem Personal in Kliniken oder Pflegeheimen? Das Infektionsschutzgesetz erlaubt zumindest, dass Arbeitgeber in bestimmten Fällen nach dem Impfstatus der Beschäftigten fragen. Darüber sollte man aber maximal nachdenken, wenn langfristige Erfahrungen mit dem Impfstoff vorliegen, sagt Humangenetiker Henn: "Und das wäre eben nicht auf der staatsrechtlichen, sondern der arbeitsrechtlichen Ebene denkbar und nach meiner persönlichen Auffassung möglich, dass Arbeitgeber, sprich Klinikträger, verlangen, dass klinisches Personal in ganz besonderen Risikolagen dann auch geimpft werden müsste."

Das Infektionsschutzgesetz lässt noch an anderer Stelle eine Tür offen: Unter Paragraf 20 heißt es, das Gesundheitsministerium könne eine Impfpflicht für bedrohte Teile der Bevölkerung erlassen, wenn eine Krankheit mit schwerem Verlauf und epidemischer Verbreitung auftrete.

Informieren und Aufklären
Davon will bislang aber niemand Gebrauch machen. Vielmehr müsse es darum gehen, die Bevölkerung von der Impfung zu überzeugen, sagt Gesundheitsrechtlerin Kießling. Zum Beispiel, indem man über die Nebenwirkungen rede, etwa mögliches Fieber oder Kopfschmerzen. "Und dann muss man auch darüber aufklären, dass der Impfstoff trotzdem sicher ist, auch wenn es so schnell ging mit der Zulassung. Vielleicht auch darüber, was man noch nicht weiß. Damit die Bevölkerung wirklich das Gefühl hat, dass das ganz transparent erfolgt."

Dann bestehe auch die Chance, dass sich noch mehr Menschen freiwillig impfen ließen.