Die Krisen der Neuzeit bringen regelmäßig ikonische Bilder hervor, aber in der aktuellen Auseinandersetzung mit der Pandemie kommt es wohl erstmals dazu, dass bereits der sprachliche Verweis auf einen ominösen Bilderberg zum Topos wird: „Die Bilder aus Bergamo“. Kaum eine Debatte, die ohne diese Formel auskommt: „Immer wieder verweist Laschet auf Bilder im März aus Bergamo, wo Militärfahrzeuge Leichen abtransportierten – diese Bilder schufen eine neue Lage.“ (>>) – „Die Bilder aus Bergamo haben die Wenigsten noch präsent. Dabei ist das um die Ecke.“ (>>) – „Wir haben die Bilder in Bergamo gesehen, und wir hätten es als deutsche Bevölkerung ethisch kaum ausgehalten, wenn es bei uns solche Szenen gegeben hätte.“ (>>)
Mit den „Bildern aus Bergamo“ sind drei Sujets angesprochen. Das erste – eine dichte Reihung von Särgen, angeblich in einer Kirche der Stadt – wurde inzwischen als fake news entlarvt, weil die Bilder in Wirklichkeit 2013 auf der Insel Lampedusa aufgenommen worden waren. (>>) Die Bilder des zweiten Motivs, die das Drama der überfüllten und improvisierten Intensivstationen in Bergamo dokumentieren, erlangten keinen ikonischen Status, weil sie nicht spezifisch genug waren: Ähnliche Szenen finden zu jeder Zeit in Krankenhäusern der ganzen Welt statt. Erst das dritte Bildthema – ein nächtlicher Konvoi von Militärlastern, die Leichen aus der Stadt bringen – ‚ging viral’. Zumeist bezieht sich die vage Rede von den „Bildern aus Bergamo“ auf dieses Motiv.